14.07.2009 13:26 (Kommentare: 3)
OSTSEEZEITUNG | Dienstag, 14. Juli 2009 | von ANKE LÜBBERT
Lüchow (OZ) - Eines Tages fasste Johannes Liess den Entschluss: „Wir gründen eine Schule.“ Damals waren noch vier Einwohner in Lüchow gemeldet, die Häuser waren verlassen, die Dorfstraße leer. Jetzt ist das Dorf aus seinem Dornröschenschlaf erwacht. Heute leben hier 21 Erwachsene und 19 Kinder.
Lüchow, ein Ortsteil von Altkalen im Landkreis Güstrow, ist kein Einzelfall: Wenn irgendwo eine Schule geschlossen wird, versuchen engagierte Eltern eine private Schule zu gründen, sagt Johannes Liess. Mit mehr oder weniger Erfolg. „Das stellt natürlich auch das offizielle Schulkonzept in Frage. Schließlich machen wir vor, dass es auch anders geht.“ Das Bildungsministerium in Schwerin sieht die vielen Neugründungen von privaten Schulen nicht gerne. Um Kosten zu sparen, werden kleine Schulen geschlossen und zusammengelegt, große Schulzentren ausgebaut. In Mecklenburg-Vorpommern gibt es 71 Privatschulen, seit 2001 hat sich ihre Anzahl verdoppelt. Vor dem Schulhaus steht ein feuerwehrroter 9-Sitzer, einer der beiden Schulbusse. Um 7.30 Uhr werden die ersten Schüler abgeholt, 8.30 Uhr beginnt der Unterricht. In diesem Schuljahr wurden 30 Schülerinnen und Schüler in Lüchow unterrichtet. Jahrgangsübergreifend. Zwölf in den Klassen eins bis zwei, 18 in den Klassen drei bis fünf.
Seit der Schuleröffnung gibt es in Lüchow auch ein Dorfgemeinschaftshaus. In der Woche dient es als Speiseraum für die Schulkinder, am Wochenende als Café für die Eltern, nachmittags findet hier Fachunterricht statt, abends werden Filme gezeigt. Im Raum stehen kniehohe Schulbänke, zusammengesammelt aus den geschlossenen Schulen der Umgebung. Es gibt noch ein Schulnebengebäude mit Stall, das Schulhaus ist im Rohbau. Die Finanzen für Gebäude und Schulprojekt stammen aus Eigenmitteln, privaten Spenden, EU-Geldern und einem Kredit. Ein Bauer aus dem Nachbarort hat der Schule das Bauland geschenkt und einen Bagger geliehen.
Dörte Fuchs lebt und arbeitet seit Sommer 2007 in Lüchow. Sie ist Klassenlehrerin für die erste und zweite Klasse. Als sie Freunden und Bekannten auf der Karte zeigte, wo Lüchow liegt, fragten sie, wie man dort nur hinziehen könne. „Für meine Freunde ist das hier die absolute Einöde“, sagt sie. Trotz der Abgeschiedenheit überwiegt für Dörte Fuchs das, was in Lüchow der „Bullerbü-Faktor“ genannt wird: Alle kennen sich, alle helfen sich, für die Kinder ist es das Paradies. „Mein zehnjähriger Sohn findet immer jemanden zum Spielen.“ Nach dem Vormittagsunterricht gibt es für die Schüler Mittagessen. Eine Mutter ist als Köchin angestellt. Der Schulunterricht kostet die Eltern 60 Euro pro Kind und Monat, das Essen 30 Euro.
Der Schulverein ist mittlerweile der drittgrößte Arbeitgeber der Gemeinde. Die Schule hat sechs Voll- und sechs Teilzeitangestellte. Zum Schulanfang im September wird die Schule einen Geschäftsführer und eine Sekretärin einstellen. Auch eine neue Lehrerin wird gesucht.
Anfangs wurden die Schulplaner belächelt. Doch die Stimmung in der Gemeinde wandelte sich. Bürgermeisterin Renate Awe unterstützt das Schulprojekt. „Man muss anerkennen, dass die in das Dorf investiert haben“, sagt sie über die Zugezogenen.
Johannes Liess hat eine Vision für das ganze Dorf: 100 Menschen sollen einmal in Lüchow leben. Er plant ein Altenheim, ein Hotel, Bauernhöfe und einen Dorfladen, eine Windkraftanlage und ein Blockheizkraftwerk. Als nächstes eröffnen die Lüchower einen Kindergarten und einen Hort. Und renovieren mal wieder ein Schulgebäude. Der Kaufvertrag für die alte Schule im Nachbarort ist unterschrieben. Irgendwo muss die 7. Klasse 2010 ja mit dem Unterricht beginnen.
Einen Kommentar schreiben
Kommentar von Günther I. | 05.04.2013
Dummheit und Gier nach Konsum treibt noch immer junge Menschen aus Mitteldeutschland in die „west“deutschen Ballungsgebiete. Dort unterbieten sie Lohn- und Gehaltsvorstellungen der ansässigen Mitbewerber und fahren dann monate- gar jahrelang oft täglich hunderte Kilometer zur Arbeitsstelle. Aufgrund der horrenden Kraftstoffkosten folgt der Wegzug. Zurück bleiben entvölkerte Landstriche in unserem schönen Land.
Kommen dann die „Wessis“, die der Konsumgesellschaft den Rücken kehren, dorthin, um ein ursprüngliches Leben zu führen, tritt bei der offensichtlich im doppelten Sinne zurückgebliebenen Landbevölkerung schnell Neid auf.
Fließen dann gar für die Entwicklung dieser Gebiete auch noch Subventionen, fühlen sich die Einheimischen als Versager. Schließlich haben die „Wessis“ mal wieder die Nase vorn.
Es wird Zeit, dass bei den Einheimischen die Ost-/Mittel-/West-Grenze verschwindet.
Es gab schon immer Menschen, die die Ärmel hochgekrempelt und sich hohe Ziele gesteckt haben. Egal woher sie kommen, freuen wir uns, dass es sie gibt.
Kommentar von Gerke | 17.09.2010
zu Mathias / zufällig gelesen:
Schon interessant , wie Ossis ticken.
Wohne als zugezogener Wessi unter Südis, die tolerieren zum Glück mich und zugezogene und Ossis einschl. Meck Pommis .... .
Kommentar von Mathias | 28.06.2010
Schön wärs gewesen. Eine Hirarchie und sein eigenes Leibeigenes Königreich zu bauen, oder sich dies auch noch erschleichen, ist eine Bodenlose Frechheit. Der Typische Wessi Effeckt. Kommen und die Leute unterdrücken. kinder aussortieren, und schikanieren. Mein eigenes ist gemeint. Nein alles andere als ein Wohltäter. Machtsüchtig und Herrisch, dass ist die richtige Ausdrucksweise.