16.05.2011 12:23 (Kommentare: 0)
Ostseezeitung | lokal HGW | vom 16.05.2011
Greifswald (OZ) - Jetzt hat es das Staatliche Schulamt Greifswald Schwarz auf Weiß: 33 Eltern stellten in den jüngsten Wochen einen Antrag auf Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs im Bereich Sprache. Weitere 59 Eltern beantragten für ihre Schützlinge die Aufnahme in eine Diagnoseförderklasse; was zur Folge hätte, dass der Unterrichtsstoff von zwei in drei Grundschuljahren vermittelt würde.
Damit nimmt das Gezerre um die Fortführung von Spezialklassen für Kinder mit Lernschwächen und anderen Defiziten ein vorläufiges Ende, nachdem Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) Anfang März einen vorläufigen Stopp der Integration von Förderkindern in Grundschulen verfügte. Allerdings, so Schulamtsleiterin Jutta Paprott auf OZ-Anfrage, könne die Frage der Klassenbildung „erst nach Abschluss der Diagnostiken beantwortet werden“. Kommenden Dienstag findet im Schulamt ein großes Treffen mit Vertretern der Staatskanzlei und des Bildungsministeriums sowie Eltern statt. Danach rechne sie mit einer Entscheidung.
Derweil hat sich die „Schulbewegung MV — Bildung ist Zukunft e.V.“ hingesetzt und zur Umsetzung der „Präventiven und Integrativen Schule“ im Land einen Forderungskatalog verfasst. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: „Wir befürworten die Integration“, stellt Uta Metzner aus Brünzow als Vorsitzende der Schulbewegung klar. Doch mit der Aussage des Bildungsministeriums, diesen Weg kostenneutral umzusetzen, „entstehen begründete Ängste. Die Integration stellt sich somit als eine reine Abschiebemaßnahme von Schülern mit Beeinträchtigungen in die Grundschulen dar“, kritisieren Uta Metzner und Thomas Thadewald in ihrem Brief.
Darin bemängeln sie nicht nur das fehlende Konzept des Bildungsministeriums, sondern entlarven das Projekt zugleich „als administrative Maßnahme zur Quotenschönung des Anteils der Förderschüler“. Im Klartext: Kultusminister Henry Tesch (CDU) wird vorgeworfen, mit den Plänen der Integration die Quote der Schulabbrecher geschickt senken zu wollen. Laut Bildungsbericht des Landes, der am Donnerstag vorgestellt wurde (OZ berichtete), verlassen derzeit 13,7 Prozent der Jugendlichen die Schule ohne Abschluss. Für Uta Metzner kann diese alarmierende Zahl nur eine Konsequenz haben: „Zusätzliche finanzielle Mittel im Bildungshaushalt!“ Zudem fordern die Schulbeweger, den schon jetzt fehlenden Lehrkräften im Grundschul- und Sonderpädagogikbereich entgegenzuwirken. Sonderpädagogik müsse zwingend Studien- und Ausbildungsinhalt sein.
Auch das Vorhandensein mindestens eines Schulsozialpädagogen pro Schule sei nach ihrer Auffassung dringend geboten, wolle man der Tatsache ins Auge sehen, dass es immer mehr Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten gebe. Ihr Fazit: Soll das große Ziel der Inklusion — eine Schule für alle — in der Zukunft gelingen, müssen alle Beteiligten in den Prozess mit einbezogen werden. Der 17. Mai könnte auf diesem steinigen Weg ein Mosaiksteinchen sein.
Petra Hase
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