07.01.2010 06:46 (Kommentare: 0)
OSTSEE-ZEITUNG | 7. Januar 2010 | lokal Rügen
Bergen (OZ) - Zum neuen Schuljahr wird die Förderschule abgeschafft. Das erklärte Schulrat Michael Kossow am Mittwochabend im Anschluss an eine Konferenz in Bergen. Die Insel werde als erster Landkreis in Mecklenburg-Vorpommern das Modell der Integrativen Grundschule flächendeckend einführen.
Im Spetmeber werden keine neuen Förderklassen mehr gebildet. Alle Kinder werden an normalen Grundschulen eingeschult. Sollten im Unterricht dann Defizite festgestellt werden, gibt es eine gezielte Förderung. Dafür gingen Sonderpädagogen an alle Grundschulen.
Der gemeinsame Unterricht aller Kinder ist als Regelfall im Schulgesetz des Landes festgeschrieben. Allerdings besuchen noch 12,7 Prozent aller Kinder Förderschulen. MV hat im Bundesvergleich die meisten Förderschüler.
Leserbrief von Oliver Thoma aus Sassnitz:
Große Bedenken ohne Einsicht
Rügen wird, wenn es diese Modellregion für alle Kreise des Landes wird, seine Probleme an den Schulen vergrößern.
Dabei sind sich Eltern der Schulen, des Kreiselternrates und des Landeselternrates einig und haben diese Bedenken bereits mehrfach geäussert. Es gibt an sich Einigkeit darüber, dass es für alle Kinder besser ist, wenn Sie gemeinsam beschult werden und dadurch ihre Fähigkeiten besser ausgebildet werden. Nur haben wir in unserem Bundesland zur Zeit nicht die Voraussetzungen dafür, dies auch im Sinne aller Kinder zu erfüllen. Die Integration aller Kinder kann nur funktionieren (und das zeigen alle Ergebnisse anderer Länder), wenn Lehrer in geeigneten Klassengrößen einen qualifizierten differnzierten Unterricht abhalten. Das heisst, dass die Lehrkraft jedes Kind beobachtet, dokumentiert und speziell fördert. Er/Sie bereitet sich also nicht auf eine Unterrichtsstunde vor sondern auf bis zu 28 unterschiedliche Kinder. Nach Aussage des Lehramtes Greifswald tun dies jedoch nur 30 % der Lehrkräfte (ob sie es nur nicht tun oder nicht können, steht dort nicht).
Es wird nun von den Lehrkräften erwartet, dies nach einigen Weiterbildungen nun effektiv für die ersten Klassen des neuen Schuljahres nun umzusetzen da das ganze Modell (ebenso wie die Kinder)sonst kippt.
Alles hängt am Engagement jedes einzelnen Lehrers, dessen Klassen aber auch nicht kleiner werden und für den es in den ersten 6 Krankheitswochen auch keinen Ersatz gibt.
Unterstützt werden soll die Arbeit des Lehrers durch Sonderpädagogen, die ihn/sie bei der Arbeit mit beeiträchtigten Kindern begleiten. Dafür wurde aber aus der aktuellen Version der Verteilerschlüssel für den Einsatz dieser Sonderpädagogen ebenso aus dem Konzept gestrichen wie eine maximale Klassengröße wie Sie z.B. in den baltischen Ländern realisiert ist.
Die bestehenden Probleme der Schulen werden dadurch ab dem nächsten Jahr noch verstärkt. Zu allen Kindern, der Grundschulklassen (begabte, normale, verhaltensauffällige) kommen dann noch Kinder die erfahrungsgemäß einen sehr hohen Betreuungsaufwand haben. Bei 100% engagierten ausgebildeten Lehrern, angenehmen Klassengrößen und Ausfallsicherheit (Vertretungen und Krankheitsabsicherung) kein Problem. Nur das alles haben wir nicht.
Nach Ansicht der Eltern sollten diese Grundvorraussetzungen, die bereits seit langem angemahnt werden erst geschaffen werden, bevor weitere Schritte gegangen werden. Wir haben bereits jetzt viele Klassen, die sich bei Ausfall des Lehrers Lehrkräfte über Wochen teilen, zusammengelegt oder nur beaufsichtigt werden. Dazu noch die Förderkinder die bislang eigene Stundenschlüssel hatten, wird einfach zuviel.
Die Eltern freuen sich sehr über das Engagement der Lehrer und Schulleiter die am Mittwoch dieses Projekt befürwortet haben. Man wundert sich aber auch ebenso sehr darüber, dass beim Rest der Schulleiter und anwesenden Lehrer große Stille herrschte.
Durch einen juristischen Kniff will das Bildungsministerium nun auch die Eltern bei der Entscheidung darüber aussen vor lassen und dies nicht als zustimmungsnötiges Projekt deklarieren sondern einfach als Umsetzung $35 des Schulgesetzes. Man muss sich fragen, warum das so ist.
schreibt Oliver Thoma aus Sassnitz
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