10.09.2008 10:42 (Kommentare: 1)
OSTSEE-ZEITUNG.DE | Mittwoch, 10. September 2008 | Mecklenburg-Vorpommern
Sechs Millionen Euro will Bildungsminister Tesch den privaten Schulen im Land pro Jahr streichen. Schulleiter und Geschäftsführer nennen das „sozial ungerecht“. Sie wollen gegen das Gesetz vor das Verfassungsgericht ziehen.
Schwerin (OZ) Kultusminister Henry Tesch (CDU) geht den 71 Privatschulen im Land an den Kragen. Die umstrittene Novelle des Schulgesetzes, gestern vom Kabinett einstimmig beschlossen, zementiert massive Einschnitte für Schulen in freier Trägerschaft. Der OZ liegt die detaillierte Streichliste vor – insgesamt Kürzungen von mindestens sechs Millionen Euro pro Schuljahr.
Der Verband deutscher Privatschulen (VdP) Nord geht nach eigenen Berechnungen sogar von zehn Millionen Euro aus. Das entspricht 20 Prozent der bisherigen Finanzhilfen durch das Land. „Diese Summe können wir unmöglich gegenfinanzieren, ohne die Gebühren zu erhöhen“, erklärte VdP Nord-Geschäftsführer Christian Schröder. Jürgen Spitzer von der Waldorfschule Greifswald rechnet damit, bei einem Minus von 80 775,25 Euro pro Jahr zweieinhalb Lehrerstellen streichen zu müssen. Andernfalls müssten die Eltern die Zeche zahlen. „Pro Kind und Monat wären bis zu 40 Euro mehr fällig. Dann liegen wir bei bis zu 140 Euro.“ Spitzer kündigte an, gemeinsam mit anderen gegen das Gesetz vor dem Landesverfassungsgericht zu klagen, weil es „sozial ungerecht“ sei. Künftig könnten sich nur noch Besserverdienende leisten, ihre Kinder auf Privatschulen zu schicken. Die drei Waldorfschulen im Land haben zurzeit 900 Schüler. Insgesamt gingen 2006 laut Statistischem Amt 9000 von 130 000 Kindern in MV auf Privatschulen. Tendenz steigend.
Auch Nils Kleemann, Schulleiter der Montessori-Schule Greifswald, geht auf die Barrikaden. Seine Schule bekommt in Zukunft 81 062,26 Euro im Jahr weniger. „Zu einem vernünftigen Bildungssystem gehört Geld. So kann MV unmöglich zum Kinderland Nummer eins werden“, kritisiert Kleemann und schickt damit einen Giftpfeil in Richtung Sozialminister Erwin Sellering (SPD). Der hatte gemeinsam mit Finanzministerin Sigrid Keler (SPD) sowie Kultusstaatssekretär Udo Michallik (CDU) die geplanten Kürzungen initiiert. Petitesse am Rande: Michallik schickt seine Kinder in Rostock seit Jahren auf die private Werkstattschule. Dessen Geschäftsführer, Rainer Pahl, nennt die Novelle „unfair und wettbewerbsfeindlich“. Seine Schule soll mit 186 847,75 Euro weniger auskommen. Pahl schließt eine Gebührenerhöhung um 50 auf über 200 Euro im Monat nicht aus. In Rostock gehen zurzeit 25 Prozent aller Schüler auf Privatschulen.
Tesch verteidigte gestern den Gesetzentwurf. Die Finanzhilfen für Privatschulen würden künftig den durchschnittlichen Kosten staatlicher Schulen angepasst. Das sei gerecht, so der Minister. Die sogenannte Steinbeis-Studie weist allerdings ein ganz anderes Ergebnis aus. Die Erhebung, deren Details heute in Schwerin vorgestellt werden, kommt zu dem Schluss, dass die Schülerkosten für Privatschulen in MV schon jetzt wesentlich höher liegen, als von der Landesregierung propagiert. Die Finanzhilfen für freie Schulen seien demnach auch ohne die verabschiedeten Kürzungen zu niedrig.
JÖRG KÖPKE
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Kinder der Montessori-Schule in Greifswald: Die private Einrichtung muss in Zukunft mit 81 000 Euro weniger pro Jahr auskommen. Das Land streicht die Mittel für insgesamt 71 Schulen in freier Trägerschaft laut OZ-Informationen um mindestens sechs Millionen Euro pro Schuljahr.
Foto: Binder
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Kommentar von stephanie haye-schulze | 26.01.2011
Wenn man heute auf die Straßen schaut und um sich herum, dann weiß man doch, dass das einzigste, was uns noch retten kann, vernünftige Schulen sind mit motivierten und guten Lehrern.Das ist an Privatschulen doch viel häufiger anzutreffen. Aber lieber 200.000,00 Euro im MONAT für die Bewachung eines Sexualstraftäters ausgeben ...wie weit muss es eigentlich noch kommen, bis die da oben aufwachen ?