18.06.2009 21:33 (Kommentare: 0)
Schweriner Volkszeitung | Donnerstag, 18.06.2009 | M-V | von Angela Hoffmann
Auf das Land kommt ein massiver Personalnotstand in Schulen und Kitas zu. Laut einer Studie des Essener Bildungsforschers Klaus Klemm gibt es in Mecklenburg-Vorpommern jetzt schon zu wenig Erzieherinnen. Spätestens im Jahr 2015 folgt demnach ein akuter Lehrermangel.
Von 2015 bis 2020 müssten jährlich 800 Lehrer eingestellt werden, um den Bedarf zu decken, sagte Klemm gestern bei der Vorstellung der Studie in Schwerin. Hintergrund ist, dass bis dahin viele ältere Kollegen in den Ruhestand gehen und dass die Schülerzahlen wieder steigen. Im vergangenen Jahr hätten aber nur etwa 600 Schulabgänger in MV ein Lehramtsstudium begonnen.
Klemm geht davon aus, dass sich die Situation deutschlandweit verschärfen wird. "Die finanzstarken Länder werden mit entsprechenden Gehaltsangeboten den ärmeren Bundesländern die gut ausgebildeten Lehrer mit Mangelfächern abkaufen", so der Bildungsforscher. Gesucht würden vor allem Pä dagogen für Mathe, Physik, Informatik, Chemie und Englisch.
Die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) in MV fordert deshalb, die Ausbildung und die Arbeitsbedingungen für Lehrkräfte attraktiver zu gestalten. Zurzeit liegt die Abbrecherquote bei Lehramtsstudenten bundesweit bei etwa 40 Prozent. Zudem müsse die Landesregierung die Personalplanung ändern, sagte die GEW-Landesvorsitzende Annett Lindner. Die Pä dagogen bräuchten einen verbindlichen Zeitplan für die Abschaffung der derzeitigen Zwangsteilzeit.
Zu viel Arbeit für zu wenig GeldIn den Kitas von Mecklenburg-Vorpommern sei der Fachkräftemangel jetzt schon spürbar, ergänzte Klemm. In den Krippen und Kindergärten gebe es einen jährlichen Einstellungsbedarf von 400 Erzieherinnen. Derzeit würden aber nur 300 Nachwuchskräfte pro Jahr ihre Ausbildung beenden.
"Wir steuern auf einen skandalösen Fachkräftemangel zu", kritisierte der zuständige Referent bei der GEW, Daniel Tap rogge. Es sei dringend erforderlich, die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung von Erzieherinnen zu verbessern. Dazu gehöre vor allem, dass eine Fachkraft weniger Kinder betreuen müsse. Als weiterer Anreiz sollte über eine Verkürzung der Ausbildungszeit nachgedacht werden. Diese beträgt derzeit fünf Jahre. Außerdem müsse die Hochschule Neubrandenburg ihre Kapazitäten erhöhen, meinte Taprogge.
Angesichts des drohenden Lehrermangels verwies Bildungsminister Henry Tesch (CDU) gestern auf das bereits angeschobene Junglehrerprogramm im Land. Unter anderem soll die Zahl der Referendarstellen deutlich erhöht werden. Insgesamt stellt die Landesregierung 15 Millionen Euro zusätzlich für die Schulpolitik bereit.
Die Landtagsfraktionen der CDU und SPD sprachen sich für eine rasche Reform der Lehrerbildung aus. Es werde höchste Zeit, dass sich die Bundesländer auf ein gemeinsames Vorgehen einigten, anstatt sich gegenseitig die Lehrer abzuwerben, so der hochschulpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Mathias Brodkorb. Nach Auffassung des bildungspolitischen Sprechers der Linksfraktion, Andreas Bluhm, lässt sich die Abwanderung nur mit besseren Arbeitsbedingungen und Gehältern verhindern. Hans Kreher, bildungspoltischer Sprecher der FDP-Fraktion, warf der Regierungskoalition vor, den Ernst der Lage nicht erkannt zu haben. Es reiche nicht aus, allein die Lehrerbildung zu reformieren. In einem Personalentwicklungskonzept müsse das gesamte Arbeitsumfeld bedacht werden.
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