04.03.2011 07:03 (Kommentare: 0)
Ostseezeitung | Mecklenburg-Vorpommern | vom 04. März 2011
Schwerin (OZ) - Es knirscht gewaltig am Schweriner Kabinettstisch. Zum dritten Mal innerhalb weniger Monate hat Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) ein ehrgeiziges Vorhaben von Bildungsminister Henry Tesch (CDU) ausgebremst. Streitpunkt diesmal: das Aufnehmen von Förderschülern in Grundschulklassen. So schreibt es eine UN-Konvention vor. Tesch hatte geplant, einen entsprechenden Modellversuch von Rügen bereits ab August auch auf Greifswald auszudehnen. Jetzt pfiff ihn der Regierungschef in einem Telefonat zurück. Man dürfe „nichts übers Knie brechen“, sagte Sellering der OZ und erklärte damit sein Handeln vom Vortag. Indirekt warf er Tesch vor, die „Inklusion“, also eine Schule für alle, für Greifswald schlecht vorbereitet zu haben. Gespräche mit Eltern im ganzen Land hätten ihm gezeigt, dass es noch viele offene Fragen gebe. Während der Modellversuch auf der Insel Rügen wissenschaftlich begleitet werde, fehle dies in der Hansestadt, begründete Sellering das Ausspielen seiner Richtlinienkompetenz.
Die CDU hat dafür allerdings eine ganz andere Erklärung: den bevorstehenden Landtagswahlkampf. Sellering, der sich in Greifswald um ein Direktmandat für die SPD bewirbt, wittert nach Ansicht von CDU-Bildungsexperte Marc Reinhardt ein lohnendes Wahlkampfthema vor der eigenen Haustür. Es ärgere ihn, dass der Ministerpräsident in die Umsetzung beschlossener Gesetze einzugreifen versuche.
„Offenbar bringt ihn seine Landtagskandidatur in Greifswald davon ab, für das ganze Land nach guten Lösungen für alle Kinder zu suchen“, so der CDU-Politiker. Das Schulgesetz sieht gemeinsamen Unterricht an Grundschulen vor, wenn die räumlichen und personellen Voraussetzungen stimmen.
Widerstand gegen das Eingreifen Sellerings kommt auch vom Landeselternrat. Dessen Vorsitzender Holger Kohlhauser warf dem Regierungschef vor, Chaos unter Eltern, Schülern und Lehrern auszulösen. Alle Beteiligten hätten sich in Greifswald inzwischen auf die Umstellung vorbereitet. Man könne das Rad nur noch schwer zurückdrehen, ohne an den Schulen erheblichen Schaden zu verursachen. Kohlhauser:
„Sellering schafft Verunsicherung.“ Tesch zeigte sich von Sellering enttäuscht. Er handele mit der Integration lernbehinderter Kinder und Jugendlicher auf einem der schwierigsten und sensibelsten Felder der Bildungspolitik. Dafür wünsche er sich Unterstützung. köp
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