12.06.2012 09:17 (Kommentare: 0)
Ostsee-Zeitung |lokal HGW | vom 12.06.2012 | Petra Hase
Greifswald (OZ) - Schulen in freier Trägerschaft sind in der Hansestadt mehr denn je gefragt. Weil die Nachfrage ungebrochen groß ist, expandieren die Einrichtungen, errichten neue Häuser oder Anbauten. Von den 473 Erstklässlern, die ab August in Greifswald die Schulbank drücken, entfallen allein 154 auf die vier Schulen in freier Trägerschaft — rund ein Drittel also.
Insgesamt besuchen über 1200 Schüler die Montessori-, Waldorf- und Martinschule sowie das Ostseegymnasium. Allerdings: Nicht jeder lebt auch in Greifswald.
„70 Prozent unserer 360 Kinder sind Fahrschüler, kommen aus dem nahen Umland, aber auch von Neubrandenburg und Rügen“, berichtet René Walter (41), Sprecher der Freien Waldorfschule. Der Anteil der Greifswalder sei schrittweise gestiegen, „seit wir vor zwölf Jahren von Klein Zastrow in die Stadt zogen“, erinnert Walter. Die ungebrochene Nachfrage macht er am Konzept der Waldorfpädagogik fest:
„Das hat sich seit über 90 Jahren bewährt: Schüler aller Begabungen lernen gemeinsam von der 1. bis zur 12. Klasse — ohne Brüche in der vierten oder siebenten Jahrgangsstufe“, verdeutlicht Walter.
Die Leistungsanforderungen würden an den individuellen Begabungen und Fähigkeiten ausgerichtet. Nicht der Schulabschluss werde zum Maß aller Dinge erklärt, sondern „die Entwicklung der Persönlichkeit und sozialen Kompetenz.“
Ähnlich formuliert es auch Benjamin Skladny (50), Leiter der Martinschule: „Jeder ist einzigartig, egal was er kann oder ist. Nur weil einer weniger Leistung bringt, ist er doch nicht weniger wert.“
Das Evangelische Schulzentrum mit seinen 381 Schützlingen, von denen ein Drittel konfessionslos sei, zeichne sich durch eine große Gemeinschaft aus. Auf das soziale Miteinander komme es an. „Auf diese Weise kann jeder viel besser sein Leistungspotential ausschöpfen“, sagt Skladny und stellt klar: „Auch bei uns ist es wichtig, sich anzustrengen.“ Das Konzept geht auf: Die Einrichtung will erneut anbauen, wächst rasant, seit die Johanna-Odebrecht-Stiftung als Träger die Grundschule um den Bildungsgang der Integrierten Gesamtschule mit gymnasialer Oberstufe erweiterte. Besuchen derzeit noch 381 Kinder das Evangelische Schulzentrum, werden es ab August 430 sein, in ein paar Jahren etwa 580. Unter ihnen weiterhin Kinder mit geistiger Behinderung, die jedoch anders als bisher nicht mehr in separaten Gruppen lernen: Im neuen Schuljahr gründet die Martinschule drei 1. Klassen mit je maximal 17 Schülern, „wobei höchstens drei bis vier dieser 17 eine geistige Behinderung aufweisen“, berichtet Skladny. Diese Art der Inklusion sei neu. „Bei anderen Förderschwerpunkten, wie Sprache, inkludieren wir seit Jahren“, sagt er. Bedeutet: Eine Schule für alle. Während die staatlichen noch über das „Wie“ streiten, machen es die freien Einrichtungen längst vor.
Das trifft auch für die 240 Kinder zählende Montessorischule zu, die seit Jahren die Nachfrage von jeweils rund 100 Anmeldungen nicht befriedigen kann. Doch worin liegt das Erfolgsrezept?
„Langfristige Planung, klare Strukturen, Verlässlichkeit“ sind Gründe, die Schulleiter Nils Kleemann (44) von Eltern immer wieder hört. Auch die Klassenzusammensetzung spiele eine große Rolle:
„Jahrgangsmischung und Integration“, verdeutlicht er, seien ebenso erfolgreich wie „ein kompetenzorientierter Unterricht mit guten Projekten und außerschulischen Partnern“. Und weil das ankomme, expandiert die Schule nun ebenfalls: 2012/13 wird es erstmals eine 7. Klasse mit 14 Schülern geben, die dann bis zur Zehnten hochwächst. Zudem werden künftig 60 statt bislang 40 Erstklässler aufgenommen. 2018/19 dürfte die Schule somit 520 Schüler zählen, ein Neubau ist bereits in Planung.
Eine Entwicklung, die in etwas geringerem Umfang auch das Ostseegymnasium mit Grundschule und Orientierungsstufe hinlegte. 2001 mit 22 Kindern gestartet, zählt die Schule in den Stufen 1 bis 12 jetzt 236 Schüler. Tendenz: „Leicht steigend“, sagt Dr. Barb Neumann, Geschäftsführerin der Berufsfachschule als Träger der Einrichtung und führt noch einen weiteren Vorteil der freien Schulen ins Feld:
Kein Unterrichtsausfall! Natürlich gebe es auch hier erkrankte Lehrer. Doch die Möglichkeiten, dies zu kompensieren, seien wesentlich besser als an staatlichen Häusern.
Petra Hase
Einen Kommentar schreiben