13.11.2008 07:36 (Kommentare: 0)
OSTSEE-ZEITUNG.DE | Donnerstag, 13. November 2008 | Hansestadt Rostock
Südstadt Der Gesetzesentwurf polarisiert, er bewegt und er ist eine Belastung – jedenfalls für all jene Eltern, die ihr Kind auf eine private Schule geschickt haben. „Fairer Wettbewerb für alle“ statt Kürzung der Zuschüsse fordern die Mütter und Väter stattdessen. So steht es zumindest auf dem Spruchband über dem Podium im Foyer der Rostocker Werkstattschule. „Freie Schulen – für jeden bezahlbar“ ist dort ebenfalls zu lesen. Auf dem Podium sitzen die Vertreter der Landespolitik, vor ihnen – auf Stühlen oder im Stehen – die Phalanx der Eltern. Warum das Land ausgerechnet bei den Schulen in freier Trägerschaft sparen will – das sollen die Vertreter von SPD, CDU, FDP und Linke beantworten. Gut 350 Zuhörer sind zu der Diskussion an der Pawlowstraße gekommen. Und eines wird sehr schnell klar: Die Eltern haben große Angst. Angst vor einem deutlich höheren Schulgeld, dass Angebote an den privaten Schulen gestrichen oder die Lehranstalten gar ganz geschlossen werden müssen. Wenn die Landesregierung ihre Ankündigung wahr macht und bis zu sechs Millionen Euro pro Jahr bei den freien Schulen einsparen will, dann muss die Rostocker Don-Bosco-Schule auf 39 Prozent des Personalkostenzuschusses verzichten. Die Werkstattschule bekommt für ihre Lehrer 24 Prozent weniger Geld vom Land, die St. Michael-Schule 22 Prozent. Das haben die Eltern ausgerechnet. Einige private Schulen wären, wenn das Gesetz so durchgeht, zu 30 Prozent unterfinanziert, sagen die Eltern – und: „Dann müssen wir das Schulgeld erhöhen und werden zu einer Schule für Reiche. Das wollen wir doch gerade nicht“, wettert eine Mutter in Richtung des Podiums. Auf die Politiker sind die meisten nicht gut zu sprechen. Auch das wird schnell klar: „Vor uns sitzen drei Feindbilder“, flüstert ein Mann der Nachbarin zu. Die Zuhörer wollen Antworten – aber die bekommen sie nicht. Konkrete Zahlen kann keiner der Politiker nennen. Es gebe noch keine. „Aber wenn die Zahlen stimmen, die kursieren, dann wäre das unvertretbar den freien Schulen gegenüber“, sagt der bildungspolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Schweriner Landtag, Marc Reinhard. FDP-Vertreter Hans Kreher schlägt sich auf die Seite der Eltern: „Wir wollen Chancengleichheit in der Bildung, und dass keine Schule benachteiligt wird.“ Dafür gibt es Applaus. Auch Katrin BeesenMai, die Elternvertreterin auf dem Podium, spricht den Zuhörern aus der Seele: „Jeder muss die Chance haben, die Schule für sein Kind zu wählen, die er für richtig hält.“ Es dürfe nicht am Geld scheitern.
Das würde wohl auch Mathias Brodkorb unterschreiben – und dennoch ist er der Buhmann des Abends. Jedenfalls am Applaus gemessen: „Wenn Sie Chancengleichheit wollen“, ruft er den Eltern zu, „dann müssen für freie Schulen die gleichen Maßstäbe gelten wie für die öffentlichen“, sagt er. Die privaten Lehranstalten müssten sich dem Schulentwicklungsplan, der Personalplanung und den Mindestgrenzen für Schülerzahlen unterwerfen. „Dann ist es gerecht. Dann sollen sie gerne die gleichen Mittel bekommen.“ Alles andere sei nicht finanzierbar. Das kommt nicht gut an – ebenso wenig wie Irene Müllers (Linke) Hinweis, dass Lehrer an freien Schulen dann nach Tarif bezahlt werden müssten. Bis in den späten Abend wurde diskutiert. Die Hoffnung der Eltern: Wenn heute im Landtag über den Gesetzentwurf zum ersten Mal debattiert wird, dann findet vielleicht ihr Wille Gehör.
Sechs Millionen Euro weniger für Privatschulen
Insgesamt 130 000 Schüler besuchen in diesem Jahr die Schulen im Land Mecklenburg-Vorpommern. Der kleinste Teil davon, 9000 an der Zahl, geht auf die sogenannten Privatschulen – auf Lehranstalten, die nicht von den Kommunen getragen werden. Und die Privaten sollen nach dem Willen der Landesregierung künftig weniger Geld aus der Staatskasse bekommen: Um sechs Millionen Euro will Schwerin künftig den Zuschuss für die 71 freien Schulen kürzen. Das jedoch stößt auf massiven Widerstand: Die FDP etwa bezeichnet das Vorhaben des Landes als „haarsträubend und inhaltlos“. Auch im sogenannten Steinbeis-Gutachten kommen die Kürzungen nicht gut weg: Das Land habe die Kosten für die Privatschulen falsch berechnet, eine Kürzung der Zuschüsse sei daher nicht gerechtfertigt. Sowohl Bildungsminister Henry Tesch (CDU) als auch Finanzministerin Heike Polzin (SPD) wiesen die Kritik zurück. Das Gutachten sei „falsch“ und „intransparent“. Heute wird der Streit Thema im Schweriner Landtag sein. am
ANDREAS MEYER
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