OSTSEE-ZEITUNG.DE  |  Mittwoch, 10. September 2008  |  Politik

Bruchlandung

Kaum ein anderes Areal im politischen Schwerin gilt als derart vermint wie die Schulpolitik. Umso größer war die Erleichterung bei vielen, als im Herbst 2006 mit Henry Tesch (CDU) ein ausgewiesener Schulexperte das Ruder im Kultusministerium übernahm. Der Praktiker aus Neustrelitz sollte richten, was rot-rote Reformitis angeblich über lange Zeit verbockt hatte.

Nach nur zwei Jahren im Amt jedoch ist das eilig bekehrte CDU-Neumitglied Tesch auf dem Boden der Tatsachen angekommen. Eine Bruchlandung, mit Staatssekretär Udo Michallik als Copilot. Denn vieles von dem, was beide heute umsetzen, hätten sie früher vehement bekämpft. Dazu zählt nicht zuletzt eine drastische Mittelkürzung für Privatschulen. Kaum spitzt Finanzministerin Sigrid Keler (SPD), sekundiert von Bald-Ministerpräsident Erwin Sellering, den Rot-Stift, schon knallen Tesch und Michallik gehorsam die Hacken zusammen. So ist das eben mit der Koalitionsdisziplin. Keler benötigt Geld für klamme Hochschulkassen. Da sind Privatschulen willkommene Opfer. Staatliche Schulen wären schon rein rechtlich nicht so einfach zu schröpfen. Wer aber wie Tesch Chancengleichheit in der Bildung propagiert, darf nicht zulassen, dass Privatschulen gegen die Wand fahren. Eltern schicken ihre Kinder nicht ohne Grund immer häufiger zu Montessori und Co. Sie erhoffen sich dort individuelle Betreuung, mehr Aufmerksamkeit und bessere Lernerfolge. Dies aber werden sich bald nur noch Besserverdiener leisten können. Chancengleichheit? Fehlanzeige.

Nachricht Seite 1 / Bericht Seite 5

JÖRG KÖPKE