06.12.2008 19:47 (Kommentare: 0)
Sehr geehrter Herr Ritter,
Frau Zahradka hat mir Ihren Brief, hoffentlich mit Ihrer Zustimmung, gegeben, und ich freue mich , daß Sie sich so viel Zeit und Mühe gemacht haben, ihn zu beantworten. Auch zeigt mir der Inhalt, daß Ihnen und Ihrer Partei das Thema wichtig ist und nicht nur Allgemeinplätze verkündet werden. Vieles von dem, was Sie schreiben, kann ich auch unterschreiben, nur in einem Punkt, der allerdings ein zentraler, bin ich anderer Auffassung.
Sie sind für "fairen Wettbewerb" zwischen verschiedenen Schularten - aber wie fair ist z.B. ein Crosslauf zwischen einem Läufer mit Markensportschuh und einem anderen mit , sagen wir, Gummistiefeln ? Ein guter Läufer gewinnt auch mit diesem Mittel, ganz ohne Schuhe wird er sich verletzen. Die real bezahlten Zuschüsse ließen, bildlich gesprochen, für Träger freier Schulen nur Gummistiefel zu, wenn nicht Eltern, die durch ihre Steuern ja schon die staatlichen Schulen mitfinanzieren, zusätzliche Spenden bereitstellten. Aber auch so werden oft nur "Essengeldturnschuhe" (billige Stoffschuhe) draus, was klar an der schlechteren Bezahlung der Lehrer freier Schulen zu sehen ist.
Fair heißt allgemein gleiche Ausgangsbedingungen. Freie und staatliche Schulen sind dann gleichberechtigt und können in einen fairen Wettbewerb treten, wenn sie gleiche Rahmenbedingungen, gesetzliche wie finanzielle, haben. Freie Schulen werden benachteiligt, solange sie nicht 100% des Geldes der staatlichen Schulen erhalten. Freie Schulen werden auch benachteiligt, wenn sie 100% von fiktiven Kosten, die geringer sind als die (den staatlichen Schulen ausgegebenen) tatsächlichen Kosten sind. Zur Zeit , und auch im neuen Gesetzentwurf nicht anders zu erkennen, werden beide Bedingungen nicht erfüllt. Freie Schulen bekommen max. 85% und die Bemessungsgrundlage ist falsch (siehe Steinbeiß-Gutachten). Das sind Tatsachen, die belegbar sind - dies würde jedoch den Platz sprengen.
Ich widerspreche Ihnen, wenn Sie sagen, die rechtlichen Grundsätze sähen vor, daß staatliche und freie Schulen nicht völlig gleichgestellt werden können - müssen entspricht der langjährigen Praxis. Es gibt rechtlich keinen Zwang, keine Pflicht, beide Schulträgerarten gleichzustellen. Es gibt aber auch keine Pflicht, freie Träger zu benachteiligen. Die Verfassung (Grundgesetz) läßt eine Gleichbehandlung zu. Sie spricht nur von einer Aufsichtspflicht des Staates über das Schulwesen. Eine Pflicht zum Betrieb von Schulen gibt es für den Staat nicht. Es ergibt sich sicher eine Notwendigkeit dafür, wenn man eine Schulpflicht allgemein durchsetzen will , ohne Heimunterricht zu erlauben. Im Grundgesetz jedoch ist die Schulpflicht der Aufsichtspflicht durchaus nachgestellt. Dies sind Tatsachen, die ich sachlich verstanden wissen möchte.
Die gesellschaftliche Situation erfordert ihrerseits konkrete Regelungen, die wir aktuell als Praxis erleben. Man sollte aber, um bei der Wahrheit zu bleiben, die Ursachen des Staatlichen Schulbetreibens dort sehen, wo sie wirklich sind : in der Unfähigkeit und Unwilligkeit vieler, der meisten, Menschen, selbst mehr Verantwortung für die Bildung ihrer Kinder zu übernehmen. Hier müssen Veränderungen einsetzen. Diese werden Zeit brauchen. Ein erster Schritt wäre, freie und staatliche Schulen beide zu 100% der realen Kosten gleichzusetzen. Wenn Sie für fairen Wettbewerb sind, müssen Sie sich dafür einsetzen.
Vielen Dank für Ihr Interesse,
mit freundlichem Gruß
Martin Ziemann.
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