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Elterninitiative MV-Bildung ist Zukunft | Bessere Bildungschancen für unsere Kinder



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Bildungsökonomisch kurzsichtig gedacht?!

25.11.2008 21:48 (Kommentare: 0)

(Brief an die Eltern der Werkstattschule in Rostock)

Liebe Eltern,

mit großem Respekt beobachte ich Ihr großes Engagement hinsichtlich der geplanten Novelle des Schulgesetzes MV. Als Bildungswissenschaftler fällt mir auf, dass in dieser Debatte wenig wissenschaftliche und insbesondere bildungsökonomische Argumente ausgetauscht und diskutiert werden. Im folgenden möchte ich der Debatte einige Argumente und Informationen beifügen.

Die mit dem neuen Schulgesetz verbundenen Kürzungen der Zuschüsse für Schulen in freier Trägerschaft und für staatliche Schulen stellen aus bildungsökonomischer Sicht eine fragwürdige Maßnahme dar. Das erstaunt um so mehr, als in den vergangenen Jahren am ifo-Institut für Wirtschaftsforschung an der Ludwig-Maximilians-Universität in München gemeinsam mit Forschern der Stanford University aufwändige Re-Analysen aller bedeutsamen Schulleistungsvergleichsstudien (TIMSS, PISA, IGLU) durchgeführt wurden. Diese Analysen stellen zahlreiche bildungsökonomisch relevante Einsichten bereit, die es auf der Folie der Besonderheiten des Bildungsstandortes MV zur Kenntnis zu nehmen gilt.

Aus bildungsökonomischer Sicht hebt Wössmann (2007) im Blick auf das deutsche Bildungssystem bilanzierend beispielsweise Folgendes hervor: „Verstärkter Wettbewerb, etwa durch privat geleitete Schulen, schafft Wahlfreiheit für die Eltern. Dies wiederum fördert leistungsförderndes Engagement der Schulen insofern, als Eltern ihre Zöglinge bevorzugt auf solche Schulen schicken werden, die sich einen guten Ruf erworben haben. Auf der anderen Seite wird mangelndes oder falsches Engagement bestraft, und zwar dadurch, dass Eltern ihre Kinder von den entsprechenden Schulen herunter nehmen (könnten). Die so entstehenden Marktkräfte erzeugen Anreize für die Schule, effizient und innovativ zu arbeiten. Dies gilt sowohl im privaten Schulmanagement als auch für nahe gelegene öffentliche Schulen, die sich dem Wettbewerb ausgesetzt sehen. Damit wirkt sich Wettbewerb durch privat geleitete Schulen durchaus positiv auf die Leistung des gesamten Schulsystems aus“ (Wössmann, 2007, S. 119).

Dies scheint auch für das Schulwesen in MV von großer Bedeutung, denn: „Die Ergebnisse der internationalen Schülerleistungstests zeigen, dass Schüler in Schulsystemen mit einem höheren Anteil privat geleiteter Schulen tatsächlich bessere Leistungen aufweisen“ (ebd.). Ein um 25% höherer Anteil privat geleiteter Schule in einem Land geht im Durchschnitt mit knapp 14 Punkten besserer Naturwissenschaftsleistung und 15 Punkten besserer Mathematikleistung in TIMSS einher. PISA hat darüber hinaus gezeigt, dass Schüler an Schulen in privater Trägerschaft im Durchschnitt in allen drei Kompetenzbereichen eindeutig besser abschneiden als an Schulen in öffentlicher Trägerschaft „auch nachdem die Einflüsse zahlreicher weiterer Faktoren wie die des familiären Hintergrunds herausgerechnet wurden“! (vgl. ebd., S. 119f.). Der Leistungsvorsprung von Schülern in privat geleiteten Schulen macht etwa so viel aus, wie ein Schüler in einem Halbjahr lernt. Die Durchschnittsleistungen von Schülern in Bundesländern mit einem größeren Anteil an privat geleiteten Schulen sind entsprechend auch in der Bundesrepublik tendenziell höher als in anderen Bundesländern. Das hat zum einen damit zu tun, dass die privat geleiteten Schulen selbst besser abschneiden, zum anderen aber auch damit, dass die öffentlich geleiteten Schulen besser abschneiden, wenn sie dem Wettbewerb durch private Schulen ausgesetzt sind, der den Eltern größere Wahlmöglichkeiten gibt (vgl. ebd. S. 121).

Allerdings zeigte der PISA-Datensatz nicht nur, dass private Schulträgerschaft bessere Schülerleistungen erzielt, sondern darüberhinaus, dass ein höherer Anteil öffentlicher Schulfinanzierung für private Schulträger mit besseren Schülerleistungen einhergeht (vgl. ebd. S. 122). Für die anstehende Gesetzesänderung ist die Einsicht von besonderer Bedeutung, dass in Ländern, die einen niedrigen Anteil öffentlich geleiteter Schulen (also einen hohen Anteil von Schulen in privater Trägerschaft) mit einem hohen Anteil an öffentlicher Finanzierung verbinden, die Schüler mit Abstand am besten abschneiden (vgl. ebd. S. 122). Als Beispiel können hier die Niederlande herangezogen werden, wo ¾ aller Schulen in privater Trägerschaft geleitet werden, diese privat geleiteten Schulen aber genauso wie die öffentlichen Schulen nahezu ihre gesamte Finanzierung aus öffentlichen Quellen beziehen (vgl. ebd. S. 123).

Aus bildungsökonomischer Sicht ist die Forschungslage offensichtlich eindeutig:“Öffentliche Finanzierungen erlaubt es auch relativ armen Familien, ihre Kinder auf privat geleitete Schulen zu schicken. Öffentliche Finanzierung erhöht so die Wahlfreiheit der Eltern, und im Schulsystem entsteht insgesamt mehr Wettbewerb: Mehr Eltern sind in der Lage, Wahlentscheidungen zu treffen, das steigert die Motivation der Schulen, sich besonders für die Schüler ins Zeug zu legen. In Systemen, die private Schulleitung mit öffentlicher Schulfinanzierung verbinden, herrscht die größte Wahlfreiheit und damit der meiste Wettbewerb. Deswegen werden dort die besten Schülerleistungen erzielt“ (ebd., S. 123f.). Eine umfassende öffentliche Schulfinanzierung hat, so fasst Wössmann den Forschungsstand zusammen, nur dort einen positiven Effekt, wo sie dazu führt, dass privat geleitete Schulen für mehr Eltern beziehungsweise Schüler infrage kommen (vgl. ebd., S. 125).

Zwar müssen diese Ergebnisse des ifo-Instituts kritisch an der tatsächlichen Verhältnissen des Flächenlandes MV gespiegelt werden, doch lässt die zum Beschluss anstehende Novelle des Schulgesetzes im Blick auf die Finanzierung von Schulen in privater Trägerschaft den oben dargestellten Forschungsstand offensichtlich weitgehend unberücksichtigt.

Die Gesetzesnovelle droht in ihrer Beschlussfassung zu drastischen Erhöhungen der Schulgeldbeiträge bzw. zu einer möglichen Minderung der Qualität der pädagogischen Arbeit an Schulen in freier Trägerschaft zu führen. Beides ist – soweit es die vielen konzeptionell anspruchsvoll arbeitenden Schulen in freier Trägerschaft betrifft - der Qualität des Schulwesens in MV abträglich und erhöht ohne Not die ohnehin beispiellose soziale Selektivität des öffentlichen Schulsystems.

Jenseits der Fokussierung auf die Debatte um die Schulen in privater Trägerschaft muss darüber hinaus darauf hingewiesen werden, dass nicht nur diese Schulen von Kürzungen betroffen sind. Auch die staatlichen Schulen sind durch die neuen Berechnungsschlüssel und Zuweisungsregelungen von Kürzungen betroffen. Für diese stellt sich das Problem somit in gleicher Weise, zwar monetär nicht in gleicher Dramatik, in ihren möglichen Folgen jedoch umso drastischer, da in diesen Schulen die Eltern nicht finanziell einspringen können, um Engpässe auszugleichen. Damit könnte die Qualität der Bildungsarbeit an staatlichen Schulen noch unmittelbarer von den mit dem neuen Schulgesetz verbundenen Einsparungen betroffen sein.

Mit besten Grüßen
Thomas Häcker

(Lit.: Wössmann, L. (2007). /Letzte Chance für gute Schulen. Die 12 großen Irrtümer und was wir wirklich ändern müssen. /München: Zabert Sandmann.)

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